Das Sichern von Gütern beim Transport
Der kleine Lasi-Helfer
Artikel in TRANSPORT + LOGISITK, am 29.09.2009
von Stefan Klein
LADUNGSSICHERUNG – Das Sichern von Gütern beim Transport ist richtig wichtig und wird daher auch im ADR ausdrücklich erwähnt. In der Praxis macht eine ausreichende Sicherung viel Aufwand – Effektivität ist gefragt.
Der Freund jeder mit der Ladungssicherung beschäftigten Verladens und Frachtführers ist die Reibung, die dem Verrutschen der Ladung entgegensteht. Bislang ist es jedoch nicht einfach, den Wert dieser „natürlichen“ Ladungssicherung korrekt zu ermitteln. Zwar gibt es inzwischen etliche Lasi-Rechner online oder auf CD, die nach Eingabe diverser Fahrzeug- und Ladungsparameter die Zahl der erforderlichen Zurrgurte ausweist, ohne dass man die komplizierten Formeln selbst durchrechnen müsste.
Doch eine wichtige, wenn nicht gar die entscheidende Ausgangsgröße für diese Berechnungen ist der schwer ermittelbare Reibbeiwert µ, der den Grad der „Mikro-Verzahnung“ zwischen der Unterseite der Ladung und der Ladefläche angibt.
Je höher der Reibbeiwert ist, desto höher ist die Reibungskraft, die einen Teil der Massen- bzw. Fliehkräfte der Ladung bei Bewegungsänderungen absorbiert. Mindestens die Differenz zwischen Massen- und Reibungskraft, die Sicherungskraft, muss für eine vollständige Ladungssicherung mit Zurrmitteln aufgebracht oder vom Fahrzeugaufbau übernommen werden.
Gleit- statt Haftreibung
Die Reibbeiwerte beziehen sich in Deutschland nach dem fahrdynamischen Prinzip auf die Gleit- bzw. Rollreibung, die die Reibung eines sich bewegenden Körpers beschreibt. Daher spricht man auch von Gleitreibbeiwerten. Daneben gibt es die Haftreibung, die grundsätzlich höher als die Gleitreibung ist, da mehr Kraft aufgewendet werden muss, einen Körper in Bewegung zu versetzen als ihn in Bewegung zu halten.
Gleitreibbeiwerte sind nach DIN EN 12195-1 und VDI-Richtlinie 2700 ff für diverse Ladeflächen/Ladungsträger veröffentlicht. So beträgt der Wert zwischen den „Reibpartnern” Lkw-Siebdruckboden und Euro-Holzpalette 0,25. Die Reibwerte sind nicht nur abhängig von der jeweiligen Oberflächenbeschaffenheit der Materialien, sondern auch vom Zustand der Ladefläche: ist diese nass, von Sandkörnern besetzt oder gar mit Öl- oder Fettrückständen verschmutzt, reduziert sich die Reibung drastisch.
Bei den veröffentlichten Gleitreibbeiwerten handelt es sich um allgemeine, gerundete Werte, zwischen solchen Reibpartnern, die bei Transporten am häufigsten vorkommen. Will ein Verlader oder Spediteur exakte Werte für seine spezifischen Ladungen und Fahrzeugen, so erfordert dies laut der Gruppe Ladungssicherung beim TÜV Nord „zwischen den verschiedenen Materialien in den unterschiedlichsten Zuständen spezielle Untersuchungen”. Der Verband Deutscher Ingenieure (VDI) hat vor kurzem mit dem zwölfseitigen Blatt 14 der VDI 2700 einen Entwurf vorgelegt, der sich mit der wissenschaftlichen Verfahrensweise bei der Ermittlung von Reibbeiwerte befasst.
Solche Tests kann ein Unternehmen aber auch selbst durchführen – gerade für die Reibung zwischen Ladungsträger und darauf befindlichen Verpackungen, die ebenso wichtig ist wie die zwischen Ladungsträger und Fahrzeugboden. In der ebenfalls neuen DIN EN 12195-1 heißt es: „Ein einfaches Verfahren zur Bestimmung des Reibbeiwertes µ ist, eine Ladefläche mit der betreffenden Fracht zu neigen und den Winkel zu messen, bei dem die Ladung anfängt zu rutschen. Es sind fünf Prüfungen unter praktischen und realistischen Bedungen durchzuführen. Das höchste und niedrigste Ergebnis werden gestrichen. Der Mittelwert der drei gewerteten Ergebnisse ist die anzunehmende Reibung. Im Bericht anzugeben ist, ob das Ergebnis für trockene und/oder nasse Bedingungen gilt.”
Auf die Weise lässt sich dann zum Beispiel der unternehmensspezifische Reibbeiwert zwischen einem verwendeten Palettentyp und dem Gewebematerial eines befühlten Bigbags ermitteln. In der einschlägigen Literatur wird der Wert meist pauschal mit µ = 0,3 angegeben.
Messgerät aus Pappe
Die individuelle Testmöglichkeit nahm die Innovatinosschmiede von Multi-Cargo zum Anlass, ein einfaches „Rutschwinkel-Messgerät” aus Pappe zu entwickeln. Hat man erst einmal den Rutschwinkel unter einer per Gabelstapler schräggestellten Palette eingestellt, lässt sich auch gleich der Reibbeiwerte ablesen. „Beim Messen sind natürlich Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, um die Fracht daran zu hindern, von der Ladefläche zu fallen”, so der Produktentwickler bei Multi-Cargo. Das Messgerät könne auf jeden Fall so bedient werden, dass die Finger nicht unter den Lastbereich geraten.
Für Praxisteste, Stichproben und Kontrollen des Reibbeiwertes zwischen Ladefläche und Ladung hat sich bislang der „Königsberger Reibklotz” bewährt. Der ein Kilogramm schwere Quader, der an den vier Längsseiten mit verschiedenen Materiakien versehen werden kann, ist vor Jahren von der Expertengruppe das Königsberger Ladungssicherungskreises (KLSK) entwickelt worden. Der Reibklotz wird an eine Präzisionsfederwaage gehängt und einfach über den zu messenden Untergrund gezogen. An der Skala der Waage lässt sich dabei der Gleitreibbeiwerte ablesen. Mit dem 115 Euro teuren Reibklotz-Set sind Zugversuche möglich, die in ihren Ergebnissen laut KLSK maximal zehn Prozent von umfangreichen Labortests abweichen. Die ermittelten Ergebnisse seien indes nicht gerichtsverwertbar, sie „dienen lediglich der Verdeutlichung vor Ort vorhandenen Reibung”. Nordpack war der altgediente Reibklotz für seine Zugversuche nicht genau genug.
Man entwickelte ein eigenes „Reibwert-Messgerät“ in Form einer Stahlplatte, unter die sich verschiedenste Materialausschnitte einsetzen lassen. „Die flachere Form im Vergleich zum Reibklotz ermöglicht ein gleichmäßigeres Ziehen“, erklärt der PM. Die größere Reibfläche von etwa 8 mal 20 Zentimetern entspreche zudem der Norm DIN EN 8285. Das Messgerät bietet Multi-Cargo zum Selbstkostenpreis von 75 Euro an. Insbesondere bei Fahrschulen scheint der Bedarf hoch.
Niederzurren erfordert Kraft
Die Reibungskraft ist in erster Linie für eine Ladungssicherung per Niederzurren wichtig. Bei dem Aufwändigen, auch als Kraftschluss bezeichneten Verfahren müssen vom Ladungs-
sicherer beim Spannen der Zurrgurte 50 daN Handkraft auf den Ratschenfgriff gebracht werden – dies sind umgerechnet etwa 50 Kilogramm. Experten bemängeln seit langem, dass 50 daN angesichts der dafür notwendigen hohen Kraftanstrengungen nur von einer Minderheit der Lkw-Fahrer erreicht werden.
„In der täglichen Praxis können Ratschen oft nur nach oben gedrückt werden, man kann also nicht sein Körpergewicht ranhängen”, erklärt Lasi-Experte Sigurd Ehringer. Um 50 daN mit einer handelsüblichen Ratsche zu erreichen, sind hohe Kraftanstrengungen notwendig (s. linkes Bild oben). Mit „SpannControl” wird das Gurtspannen kinderleicht: es werden nur 15 daN Handkraft benötigt (s. rechtes Bild oben).
Richtlinie zu Antirutschmatten verbindlich
Die Richtline VDI 2700 Blatt 15 „Rutschhemmende Materialien” ist nun verbindlich. Darauf macht der Antirutschmatten-Hersteller Marotech aufmerksam. Die Richtline schreibt für Gummigranulatmatten Mindestwerte für die Zugfestigkeit (0,6 Newton pro Quadratmillimeter) und die Reißdehnung (60 Prozent) vor. Der Einsatz minderwertiger Bautenschutzmatten als Antiruschmatten ist damit verboten. Denn Einkäufer und Logistikleiter haben Ladungssicherung nach dem neusten technischen Standard zu betreiben. Andernfalls können sie nach Unfällen mit Personenschäden zur Verantwortung gezogen werden, weil in diesen Fällen die Polizei ggf. verwendete Antirutschmatten als Beweismittel sicherstellt. Antirutschmatten sind Reibbeiwerten von meist 0,6 µ ein immer beliebteres Mittel bei der Ladungssicherung.